„Wir dürfen nur dort handeln, wo der Markt versagt“
Matthias Abel von der Gelnhäuser Neue Zeitung (GNZ) hat bei Breitband-Geschäftsführerin Simone Roth nachgefragt, warum einige Teile Gelnhausens nicht vom kostenlosen Glasfaser-Ausbau des Kreises profitieren. Mit freundlicher Genehmigung der GNZ veröffentlichen wir den Artikel hier in voller Länge.
Gelnhausen. Kostenlose Glasfaser bis zur Haustür. Mit diesem Projekt wirbt die Breitband Main-Kinzig GmbH derzeit in zahlreichen Kommunen. Doch wer sich die Karte der Ausbaugebiete in Gelnhausen anschaut, der sieht zahlreiche weiße Flecken. Gucken viele Bürger also in die Röhre? Die GNZ hat bei Breitband-Geschäftsführerin Simone Roth nachgefragt.
Das Interesse war groß: 500 Gäste haben Ende März die Informationsveranstaltung der Breitband Main-Kinzig GmbH in Meerholz besucht, weitere 500 verfolgten die Präsentation per Livestream. Sie wollten von der kreiseigenen Tochter wissen, wann der Glasfaser-Ausbau in Gelnhausen beginnt. Doch der Blick auf die Übersichtskarte ließ nicht jeden frohlocken. Mehrere Leser haben sich im Nachgang an die GNZ gewendet und sich enttäuscht darüber gezeigt, dass ihre jeweiligen Straßen nicht dazugehörten. Einer von ihnen wohnt im Nordosten der Stadt und schreibt: „Große Teile Gelnhausens ‚gucken in die Röhre‘. Wo ich wohne, wird mir Vodafone einen Gigabit-Anschluss für 1300 Euro legen. Ob die vielen Gelnhäuser, die außen vor bleiben, diese Ausgabe machen wollen, ist fraglich“, schreibt der Leser.
45 Prozent aller Gebäude können geförderte Anschlüsse erhalten
Doch warum wird die Breitband Main-Kinzig GmbH nicht im gesamten Stadtgebiet tätig? Geschäftsführerin Simone Roth verweist auf die Vorgaben der entsprechenden Förderrichtlinie des Bundes. Insgesamt, berichtet Roth, könnten 45 Prozent aller Gebäude in der Barbarossastadt einen geförderten Glasfaser-Anschluss erhalten. Davon seien alle Stadtteile betroffen. „Insgesamt können wir in Gelnhausen knapp 2 500 Gebäude ausbauen.“ Von den 55 Prozent der Häuser, die bereits heute als versorgt gelten, habe alleine die Breitband Main-Kinzig GmbH in den vergangenen Jahren rund fünf Prozent selbst ausgebaut. Der Hauptanteil davon betrifft die Gewerbegebiete.
Das aktuelle Ausbauangebot der Kreistochter umfasst 44 Prozent der Kernstadt. In Hailer sind 21 Prozent möglich, 23 Prozent in Roth und 33 Prozent in Haitz. In Meerholz können 43 Prozent aller Gebäude mit kostenloser Glasfaser versorgt werden, Höchst erreicht den Spitzenwert von 97 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss: Hier gelten die wenigsten Gebäude als versorgt. Ausschlaggebend sei die Förderrichtlinie des Bundes, betont die Breitband-Geschäftsführerin. Demnach unterliegt die Telekommunikation dem freien Markt und ist in der EU im Wettbewerbsrecht geregelt. Das bedeutet: Der Eingriff in den Markt durch die öffentliche Hand ist nur erlaubt, wenn der Markt versagt.
Die Breitband GmbH habe vor jedem Bauprojekt stets ein europaweites Markterkundungsverfahren angestrengt, also in Erfahrung gebracht, ob die freien Unternehmen spezielle Gebiete selbst ausbauen wollten. Nur dort, wo der Markt dies nicht tut, wird die Kreistochter tätig. Wo bereits Gigabit-Netze verfügbar sind, darf also kein Überbau erfolgen. Das gilt auch für Gebiete, in denen bereits Bandbreiten von mehr als 100 Megabit pro Sekunde verfügbar sind. Eine weitere Vorgabe: Gebäude, die außerhalb der Wohngebiete liegen, dürfen nicht angeschlossen werden.
„Im Main-Kinzig-Kreis sind etwa 40000 von 98000 Gebäuden bereits mit einem gigabitfähigen Kabelanschluss versorgt. Diese Gebäude dürfen keinen zusätzlichen Glasfaser-Anschluss von uns erhalten“, erläutert die Geschäftsführerin. Laut Förderrichtlinie sei ein Ausbau in bereits versorgten Gebieten und Gebäuden nicht zulässig. „Das gilt auch, wenn es sich um ein Kabelnetz und nicht um Glasfaser handelt oder wenn das Netz am Gebäude nur vorbeigeht.“
Schon heute könnten in Kabelgebieten zu einem großen Teil Bandbreiten von einem Gigabit pro Sekunde gebucht werden. Und: „Vodafone wird in den nächsten Jahren die Netze aufrüsten, sodass noch höhere Bandbreiten möglich sind“, sagt Roth. „Das heißt, dort, wo bereits eine Gigabit-Versorgung gegeben ist, ist kein Ausbau durch die öffentliche Hand erlaubt. Aber warum auch, denn die Versorgung ist ja bereits gegeben“, sagt die Breitband-Geschäftsführerin. Dabei geht es um die Kabelnetze. „Die Bürgerinnen und Bürger in diesen Gebieten sind bereits sehr gut versorgt und können fast überall schon Gigabitbandbreiten von bis zu 1000 Megabit pro Sekunde über das Kabelnetz nutzen, da dieses Medium Bandbreiten im Gigabit-Bereich ermöglicht“.
Auch Gebäude, an denen Kabel entlangläuft, gelten als versorgt
Doch warum gelten Gebäude, die noch nicht bis ins Haus erschlossen sind, an denen das Kabel aber entlangläuft, als versorgt? Wie Roth erläutert, hätten die Bewohner die Möglichkeit, eine Versorgung zu erhalten, und verweist auf die Definition des Fördergebietes. „Auch das ist verständlich, denn die Kosten für den eigentlichen Hausanschluss sind wesentlich geringer als bei den Gebäuden, die noch an das ‚Basisnetz‘ angeschlossen werden müssen.“ Ein einzelner Anschluss an das Gas- oder das Stromnetz werde am Ende auch nicht gefördert, jeder Hausbesitzer müsse hier selbst bezahlen. Insofern sei die Regulierung der EU und der Bundesregierung nachvollziehbar. „Das heißt A: Förderung dort, wo noch kein gigabitfähiges Netz vorhanden ist. B: Keine Förderung von Hausanschlüssen an den Gebäuden, an denen das Netz bereits am Haus vorbeigeht.“
Und was können Menschen tun, die nicht vom kostenlosen Ausbau profitieren? „Bürger, die nicht von unserem Angebot erfasst sind, sollten sich mit Vodafone in Verbindung setzen, wenn sie noch keine entsprechende Bandbreite beauftragt haben“, sagt Roth.
Wird die Breitband Main-Kinzig GmbH ihren Ausbau künftig noch erweitern? „Der Überbau der vorhandenen Kabelnetze ist eine Sache des Marktes. Hier dürfen wir nach aktueller Vorgabe der Förderrichtlinie nicht einschreiten“, sagt Roth. In ersten Kommunen des Main-Kinzig-Kreises würden diese Netze bereits von Vodafone selbst überbaut. Ob dies für Gelnhausen auch geplant oder eventuell von einem anderen Netzbetreiber vorgesehen sei, kann Roth nicht sagen. „Fakt ist, dass wir mit unserem Partner Vodafone hierzu in intensivem Austausch stehen und über derartige Themen regelmäßig und dauerhaft sprechen. Auch ist dieses Thema bereits bei den Fördergebern angekommen, und auch hier stehen wir in intensivem Kontakt bezüglich eventueller Änderungen der Vorgaben“.
Das Ziel der Breitband Main-Kinzig GmbH sei es, allen Bürgern Bandbreiten bis in den Gigabitbereich zu ermöglichen. „Ob dies am Ende über Kabelnetze, Glasfaserversorger oder durch den Überbau der Kabelnetze durch Vodafone erfolgt, ist nicht ausschlaggebend“, betont Simone Roth.