„Unsere Erwartungen wurden komplett übertroffen“
Breitband-Geschäftsführerin Simone Roth und Aufsichtsratsvorsitzender Winfried Ottmann blicken auf das erste Jahr des Glasfaserausbaus
Es ist genau ein Jahr her, dass die Breitband Main-Kinzig GmbH das Projekt „Einmal GIGA BITte“ startete. Ziel ist es, bis 2026 all diejenigen Haushalte im Landkreis mit Glasfaser bis ins Haus auszustatten, die aktuell keinen Zugang zu superschnellem Internet mit Gigabit-Geschwindigkeiten haben. In diesem Interview ziehen Breitband-Geschäftsführerin Simone Roth und Aufsichtsratsvorsitzender Winfried Ottmann eine erste Bilanz – und blicken nach vorne.
Wie lief das erste Jahr des Glasfaserprojekts „Einmal GIGA BITte“?
Simone Roth: Unsere Erwartungen wurden komplett übertroffen, es war ein fantastisches Jahr. Festmachen lässt sich das vor allem an einer Zahl: 16.500. So viele Grundstückseigentümererklärungen wurden in diesem Zeitraum abgegeben. Damit haben wir nie und nimmer gerechnet.
Winfried Ottmann: Das zeigt uns, dass es die absolut richtige Entscheidung des Kreises war, den Glasfaserausbau selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben einen Nerv getroffen. Es freut mich sehr, dass die Menschen diese Chance so zahlreich wahrnehmen.
Kurz zur Erklärung: Mittels Grundstückseigentümererklärung bestellen sich die Menschen den kostenlosen Glasfaseranschluss. Mit welcher Zahl hatten sie denn gerechnet?
Ottmann: Wir wären zufrieden gewesen, wenn wir die 5.000 geknackt hätten.
Roth: Die aktuell 16.500 Bestellungen bedeuten, dass schon im ersten Jahr des Ausbaus ein Drittel aller förderfähigen Gebäude mit an Bord ist. Insgesamt können wir ja bis zu 50.000 Gebäude und somit 80.000 Haushalte im Main-Kinzig-Kreis anschließen.
Was ist mit den restlichen Häusern im Main-Kinzig-Kreis?
Roth: Wir dürfen nur dort ausbauen, wo ein Marktversagen vorliegt, also wo kein Privatanbieter bereits ausgebaut hat oder ausbauen wird, weil es sich für ihn wirtschaftlich nicht lohnt. Dafür haben wir vorher ein Markterkundungsverfahren durchgeführt.
Ottmann: Es gibt ganz klare Regeln. Tabu sind für uns Gebiete, wo bereits Glasfaser liegt. Tabu sind außerdem die Kabelnetzgebiete, weil dort schon jetzt Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich möglich sind. Und tabu sind Gebiete, in denen ein Privatanbieter bereits im Rahmen des Markterkundungsverfahrens eine Ausbauabsicht bekundet hatte.
Wie zum Beispiel in Bad Soden-Salmünster?
Ottmann: Genau. Dort dürften wir nur dann aktiv werden, wenn die privaten Unternehmen wieder zurückziehen.
Was sehr unwahrscheinlich ist, oder?
Roth: Das muss nicht sein. Die Privatanbieter bauen eigentlich nur dann aus, wenn die Quote stimmt. Ansonsten fangen sie gar nicht erst an, weil es sich finanziell nicht lohnt. Deshalb muss bei den Privaten immer auch direkt ein Internetvertrag unterschrieben werden.
Ottmann: Das ist für die Menschen letztlich ein unkalkulierbares Risiko. Bei uns ist das anders. Wir bauen überall aus, wo eine Versorgungslücke besteht, und wir schließen all die Gebäude an, von deren Eigentümern uns eine Gebäudeeigentümererklärung vorliegt. Da ist es vollkommen egal, ob nur eine Person oder jeder im Ort den Glasfaseranschluss bestellt. Einen Internetvertrag muss bei uns übrigens auch niemand unterzeichnen, wenn er oder sie das nicht will. Ziel des Kreises ist die Daseinsvorsorge. Und diese ist mit einem Glasfaseranschluss, der auch ohne Vertragsverpflichtung einfach schon mal gelegt wird, gegeben.
Ihr Partner ist Vodafone. Über die Glasfaserleitungen des Kreises bietet das Unternehmen Internet, Fernsehen und Telefon an. Warum können sich die Menschen nicht selbst entscheiden, welchen Anbieter sie wählen wollen?
Roth: Es ist grundsätzlich unser Ziel, dass die Leute sich aussuchen können, welchen Anbieter sie haben möchten. Deshalb ist unser Glasfasernetz auch für alle offen – ein großer Unterschied übrigens zu den Privatanbietern, die natürlich nur ihre eigenen Dienste anbieten wollen. Um sicherzustellen, dass aber überhaupt jemand Internet, Telefon und Fernsehen über unsere Glasfaserleitungen anbietet, haben wir eine europaweite Ausschreibung durchführen müssen. So steht es in den Förderbedingungen. Diese Ausschreibung hat Vodafone gewonnen und sich damit verpflichtet, für die nächsten 20 Jahre Internet über unsere Leitungen anzubieten. Es können aber jederzeit noch andere Anbieter dazukommen.
Was sind weitere Vorteile, wenn die Breitband Main-Kinzig GmbH den Glasfaserausbau in einer Kommune übernimmt?
Ottmann: Da gibt es ganz viele. Erstens: Unser Wort steht. Wenn wir sagen, dass wir eine Kommune ausbauen, dann tun wir das. Ganz egal, wie viele Menschen dort dann am Ende Glasfaser bestellen. Wir ziehen unsere Zusage nicht zurück.
Roth: Zweitens betreiben wir keine Rosinenpickerei. Wir bauen jeden Ort, jedes Dorf und jede Straße aus, die laut Förderbestimmungen berücksichtigt werden darf. Und dies ist gerade für die ländlichen Regionen sehr wichtig.
Ottmann: Drittens: Niemand muss sofort einen Vertrag mit Vodafone unterschreiben, um in den Genuss des kostenlosen Glasfaseranschlusses der Breitband Main-Kinzig zu kommen. Viertens: Unser Netz ist offen für alle, auch wenn derzeit nur Vodafone seine Dienste darüber anbietet.
Es ist ein echtes „Bürgernetz“. Das bedeutet, dass es allen Bürgerinnen und Bürgern des Main-Kinzig-Kreises gehört und den Kommunen in späteren Jahren auch Gewerbesteueranteile zufließen. Außerdem legen wir großen Wert auf die Verlegetiefe, damit mögliche Schadensereignisse in Zukunft minimiert werden. Und überdies wird das Netz redundant aufgebaut, damit der Anschluss im Schadensfall kurzfristig wieder aktiviert werden kann.
Warum ist der Anschluss für die Menschen überhaupt kostenlos?
Ottmann: Uns ist es gelungen, Fördergelder in extrem hohem Maße zu akquirieren. Von Bund und Land kommen insgesamt 180 Millionen Euro, die restlichen 20 Millionen Euro investiert der Kreis selbst. Wir können übrigens froh sein, dass wir so früh agiert haben. Die Förderprogramme sind aktuell nämlich gestoppt. Wir haben unsere Förderbescheide allerdings bereits erhalten, und damit ist der Ausbau gesichert.
Roth: Die Bürgerinnen und Bürger haben wirklich die einmalige Chance, ihr Gebäude kostenlos mit Glasfaser ausstatten zu lassen. Sie müssen dafür nur die Grundstückseigentümererklärung ausfüllen.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen?
Roth: Der Personal- und Fachkräftemangel in der Baubranche ist ein Problem. Unsere Tiefbauunternehmen, die wir mit dem Verlegen der Glasfaserleitungen beauftragt haben, spiegeln uns das wider.
Ottmann: Die sind aber auch über unsere Geschwindigkeit erstaunt. Mit so vielen Aufträgen im ersten Jahr haben sie schlicht nicht gerechnet.
Roth: Das Wetter ist bei solchen Bauarbeiten ein entscheidender Faktor. Aktuell können wir zum Beispiel nicht bauen, sondern sind zum Warten verdammt.
Läuft derzeit dennoch alles nach Plan?
Roth: Wir liegen fantastisch in der Zeit, deshalb sind wir auch hinsichtlich der Wetterlage vollkommen entspannt. Beim Einholen der Grundstückseigentümererklärungen sind wir ja sogar deutlich über dem Plan.
Ottmann: Wichtig ist, dass wir bis 2026 den Ausbau abgeschlossen haben. Und das kriegen wir auch hin.
Wie lauten die Ziele für 2023?
Roth: Wir wollen die ersten Orte bereits ans Netz bringen. Dazu müssen wir dort den Tiefbau abgeschlossen haben, damit Vodafone die Leitungen dann mit seinen Diensten versorgen kann.
Wo wird das der Fall sein?
Ottmann: Wir sind derzeit in Freigericht-Bernbach, Hasselroth-Gondsroth, Jossgrund-Pfaffenhausen und Nidderau-Windecken aktiv. Diese Orte sollen als erstes ans Netz. Außerdem starten wir 2023 in Freigericht-Altenmittlau, Hasselroth-Neuenhaßlau, Nidderau-Heldenbergen; Hanau-Mittelbuchen, Bruchköbel, Gründau, Gelnhausen, Biebergemünd und in Schlüchtern.
Roth: Natürlich reißen wir dabei nicht sämtliche Gehwege in einer Kommune auf einmal auf, sondern gehen Schritt für Schritt und Ortsteil für Ortsteil vor, um zu große Einschränkungen und Verkehrsbehinderungen zu vermeiden.
Wie genau läuft der Tiefbau ab? Welche Schritte sind nötig, bis über das Glasfaserkabel gesurft werden kann?
Roth: Es beginnt immer mit einer Vor-Ort-Begehung, um mit jedem Eigentümer zu klären, wo genau das Glasfaserkabel ins Haus gelegt werden soll. Anschließend wird die Verlegung skizziert. Das erkennen die Menschen an den Kreidemarkierungen auf Straße und Gehweg. Aber keine Angst: Nur weil vor einem Haus kein Strich ist, heißt das nicht, dass man vergessen wurde.
Ottmann: Daraufhin beginnt der Tiefbau damit, die Gehwege zu öffnen, um das Glasfaserkabel zu verlegen. Der letzte Schritt ist der Weg ins Haus. Dafür wird – meist mit einer Erdrakete – vom Bürgersteig bis zum Gebäude ein kleiner Tunnel gegraben, durch den dann das Glasfaserkabel eingeblasen wird. Der Hausanschluss erfolgt durch eine Kernbohrung und das entstandene Bohrloch wird dann wieder wasser- und gasfest verschlossen.
Roth: Das heißt: Es kann durchaus sein, dass fünf verschiedene Trupps auf der Baustelle tätig sind, bis alle Arbeitsschritte abgeschlossen sind. Und da bitten wir auch um Verständnis: Baustellen sind laut und schmutzig, das können wir nicht vermeiden. Aber wir können versichern: Es lohnt sich.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Roth: Wir haben bislang extrem viel Infoarbeit geleistet, wir sind präsent in vielen Gebieten im Kreis. Wir haben uns sogar zu einer echten Marke entwickelt. Die Menschen nehmen uns positiv wahr. Darauf bin ich sehr stolz. Und da wollen wir dran bleiben. Wir wollen weiterhin ehrliche Aufklärungsarbeit leisten, transparent sein, alles geben. Ich sage immer: Wir tun alles, was wir dürfen – und das mit Herzblut. Und überall dort, wo wir aktuell nicht tätig werden dürfen, stehen wir direkt Gewehr bei Fuß, falls der Ausbau eines Privatanbieters, aus welchen Gründen auch immer, nicht umgesetzt wird.
Ottmann: Wir waren dieses Jahr mit zahlreichen Bürgerversammlungen sehr präsent im ganzen Kreis, haben die Leute abgeholt. Das wollen wir beibehalten. Wir wollen nah an den Menschen sein – und vor allem wollen wir natürlich eine gute Ausbauquote erreichen und möglichst viele Menschen im Kreis mit Glasfaser versorgen.
Roth: Dafür hängen wir uns alle hier mächtig rein. Mein persönliches Ziel für die Anschlussquote der Gebäude liegt bei 80 Prozent. Es wäre klasse, wenn wir das in jeder Kommune, in der wir ausbauen dürfen, erreichen.
Ottmann: Das würde ich glatt unterschreiben.
Antworten auf wichtige Fragen
Wie kann der kostenlose Glasfaseranschluss bestellt werden?
Dafür müssen die Menschen lediglich die Grundstückseigentümererklärung auf der Homepage der Breitband Main-Kinzig unter breitband-mkk.de/gee ausfüllen. Es geht aber auch telefonisch unter 06051/85-13000. Dann werden die Breitband-Mitarbeiter die Erklärung gemeinsam mit den Anrufern ausfüllen.
Ist dafür auch ein Vertrag mit Vodafone notwendig?
Nein, den kostenlosen Glasfaseranschluss gibt es auch ohne Vertragszwang mit Vodafone. Wichtig ist, sich einfach schon mal den Anschluss legen zu lassen, sodass später überhaupt die Möglichkeit einer Nutzung besteht. Mögliche Angebote der Inhouse-Verkabelung können aber sinnvoll sein.
Wo bauen Kreis und Breitband Main-Kinzig GmbH bis 2026 aus?
Bad Orb, Biebergemünd, Birstein, Brucköbel, Erlensee, Flörsbachtal, Freigericht, Gelnhausen, Gründau, Hanau (Stadtteile Klein-Auheim und Mittelbuchen), Hasselroth, Jossgrund, Linsengericht, Niederdorfelden, Nidderau, Schlüchtern, Sinntal, Steinau an der Straße
Wo dürfen Kreis und Breitband Main-Kinzig nach aktuellem Stand nicht tätig werden?
Bad Soden-Salmünster, Brachttal, Großkrotzenburg, Hammersbach, Langenselbold, Maintal, Neuberg,, Rodenbach, Ronneburg, Schöneck, Wächtersbach
Warum darf der Kreis in manchen Kommunen nicht ausbauen?
Das hat einerseits mit den Förderbedingungen zu tun – andererseits aber auch damit, dass der Kreis nur dort aktiv werden darf, wo kein privater Anbieter aktuell tätig ist, wird oder war. In diesen Kommunen sind die Menschen also bereits mit einem gigabitfähigen Anschluss versorgt, sprich mit einem Kabel- oder Glasfaseranschluss – oder ein privater Anbieter plant dort gerade einen Ausbau.